V
            +++ Havarierter Raumfrachter 'Prometheus'
              +++ Ebene VII, Planquadrat L8
              
              Norehca lockerte seinen Schraubstockgriff, ließ die Schulter 
              des vor Ehrfurcht zitternden Mannes los und wandte sich ab, um seinen 
              Männern die weitere Vorgehensweise zu erläutern. Yelpir 
              lehnte sich erschöpft und ausgelaugt an die nächstbeste 
              Wand. Das kalte Stahl besänftigte die brennenden Schmerzen. 
              Das stramme Verhör hatte ihn viel Kraft gekostet, denn noch 
              immer lagen weite Teile der vergangenen Erlebnisse in düstere 
              Finsternis gehüllt. Aber er hatte dem Sergeant alles, woran 
              er sich noch erinnern konnte, berichtet. Die langwierigen Routineuntersuchungen 
              des Frachterwracks. Der plötzliche Tod Neilas. Nie würde 
              er jemals ihre entsetzlichen Schreie vergessen können. Yelpir 
              wusste ansonsten nur noch, dass er irgendwann einen der Kühlkomplexe 
              verbarrikadiert und die dortigen Klimakontrollen rekonfiguriert 
              hatte, um dort bis zu seiner Rettung auszuharren. Doch alles andere 
              verbarg sich in tiefer Vergessenheit. Bei jedem Versuch sich daran 
              zu erinnern, war es als ob sein Geist vor einer tiefen, unergründlichen 
              Höhle stehen würde. Er fürchtete sich vor dieser 
              Höhle. Er fürchtete sich davor sie zu betreten. Gar nur 
              von ihr zu denken. Er wusste, dass etwas hinter dem gnädigen 
              Schattenvorhang auf ihn lauerte. Etwas, das ihn in den Wahnsinn 
              treiben würde.
              
              Ein Aufschrei von Bruder Senoj riss Yelpir aus seinen verworrenen 
              Gedankengängen.
              
              "SERGEANT! Das Komm-Netz wird instabil. Die Verbindung zu 
              Sergeant Trebmals Trupp ist abgerissen!"
              
              "Unmöglich! Die Geräte wurden noch vor dem Einsatz 
              von Techmarine-Brüdern gewartet."
              
              "Es könnte Raumstrahlung sein, Bruder-Sergeant!"
              
              "Oder Schlimmeres. Wann hat sich Bruder Trebmal zuletzt 
              gemeldet, Krub?"
              
              "Bevor wir in den Kühlkomplex gestiegen sind. Laut 
              Anzeigen hat er den letzten Kampf von Corporal Rekraps Männern 
              mitgehört. Die Verbindung war ständig offen und stabil."
              
              "Beim Imperator, was ist nur mit diesem Schiffswrack 
              los!? Es wird Zeit, dass wir dem ein Ende setzen, Männer!"
              
              Es gab keine Widerrede.
              
              "Wir begeben uns nun zum vereinbarten Treffpunkt Epsilon auf 
              Ebene XIV, Planquadrat Q8. Wir haben mit allem zu rechnen. Das Gebiet, 
              das wir durchqueren werden, wurde vom Exploratorenteam noch nicht 
              erfasst. Daher gilt: Äußerste Vorsicht! Wir werden uns 
              in kritischen Situationen mit Handzeichen verständigen müssen. 
              Unabhängig davon, ob wir unsere Brüder am Treffpunkt wiedersehen, 
              wird unser nächstes Ziel die Kommandobrücke sein. Vielleicht 
              können wir von dort aus eine Funkverbindung erstellen und Verstärkung 
              anfordern. Notfalls verschanzen wir uns dort und warten auf die 
              'Zornhammer'. Die Hauptstreitmacht müsste die Rebellion auf 
              Sedan Primus in einigen Tagen niedergeschlagen haben. Noch Fragen...?"
              
              Die Space Marines blieben stumm. Yelpir trat langsam näher 
              und wollte sich zu Worte melden, doch als ihn die kalten Blicke 
              der fünf schwergepanzerten Übermenschen trafen, blieben 
              sie ihm im Halse stecken. Man hatte ihn wohl beinahe vergessen. 
              Er schluckte und räusperte sich.
              
              "Entschuldigen sie, Sir! Anstatt die sieben Ebenen zu Fuß 
              hinunterzusteigen und noch mehr kostbare Zeit zu verbrauchen, empfehle 
              ich die Benutzung eines der Ladeaufzüge. Ich bin mir sicher, 
              dass ich alle Lifts reakti..."
              
              Sergeant Norehca trat an Yelpir heran. Sein glasklarer Blick durchbohrte 
              ihn wie ein glühender Speer. Yelpir zögerte. Er hatte 
              ohne groß nachzudenken gesprochen. Der Einfall war ihm plötzlich 
              gekommen.
              
              "Der Vorschlag ist gut. Wir werden nachsehen, ob der nächste 
              Lift einsatzbereit ist."
              
              Sie setzten ihren Marsch unvermittelt fort. Yelpir benötigte 
              eine Weile, bis er sich wieder gefasst hatte. Es erfüllte ihn 
              mit Stolz, dass sein Rat von einem Space Marine angenommen wurde. 
              Seine Gedanken begannen während dem vorsichtigen Vordringen 
              in dunklen Korridoren und lichtlosen Hallen wieder zu kreisen. Er 
              stand erneut vor dieser Höhle. Kalte Angst kroch heraus und 
              kletterte an seinen Beinen herauf. Er fror. Er wollte umkehren, 
              diesen schrecklichen Ort für immer hinter sich lassen. Doch 
              es war ihm, als ob etwas ihn in die Höhle rufen würde. 
              Irgendetwas nagte an ihm. Irgendetwas zog ihn hinein. Doch er sträubte 
              sich dagegen. Er durfte es nicht zulassen. Dennoch ging er einen 
              Schritt auf den drohenden Höhleneingang zu. Sein Nacken brannte 
              lichterloh. Und plötzlich sah er eine dunkle Gestalt aus reiner 
              Finsternis vor ihm stehen. Die Silhouette verlor sich jedoch sofort 
              wieder in den unergründlichen Schatten des gähnenden Höhlenschlunds. 
              Yelpir wusste, dass die Antworten auf seine Fragen dort drinnen 
              verborgen waren. Doch die Erinnerungen waren vernebelt und unendlich 
              fern. Er wagte es nicht weiterzugehen. Er hatte Angst...
              
              
              
              Ihr Weg führte sie schließlich zu einem breiten Gittertor. 
              Über ihm blinkte eine gelbe Signalleuchte und brachte in regelmäßigen 
              Abständen den weißen Schriftzug "LADELIFT BX03" 
              zum Vorschein. Sergeant Norehca winkte Yelpir herbei und deutete 
              stumm auf die Kontrollkonsole, die sich links neben dem Liftzugang 
              befand. Dieser hastete hin und betätigte einige der Tasten. 
              Gleichzeitig postierten sich die Space Marines an beiden Seiten 
              des Tors und blieben aufmerksam. Nach einer Weile blickte Yelpir 
              zu Norehca herüber und nickte wortlos. Der Sergeant nickte 
              zurück und ließ ihn den Rufknopf betätigen. Sofort 
              erscholl ein leises, allmählich anschwellendes Summen, als 
              der Aufzug aus einer der oberen Ebenen herabzusausen begann. Wenige 
              Augenblicke später konnte man durch das Gitter sehen, wie der 
              von leckenden Schläuchen übersäte Metallkasten ankam. 
              Mit einem Zischen öffnete sich daraufhin das Tor und die Signalleuchte 
              wechselte ihre Farbe zu einem hellen Grün. Die Marines durchleuchteten 
              und sicherten den Ladelift misstrauisch, bevor sie ihn schließlich 
              betraten. Yelpir folgte ihnen und gab auf der inneren Konsole ihre 
              Zielebene ein. Das Tor schloss sich ruckartig und die Kanzel setzte 
              sich langsam in Bewegung. Das Dämmerlicht des Eingangs, das 
              durch das Gitter in unzählige quadratische Lichtkegel geteilt 
              wurde, verschob sich nach oben, bis es völlig verschwunden 
              war. Finsternis durchflutete den Raum, die nur zweimalig einem matten 
              Schein weichen musste, als sie eine der spärlich beleuchteten 
              Ebenen durchquerten. Yelpir war in diesen Momenten fasziniert von 
              den Lichtquadraten, die tänzerisch über die stumpf glänzenden 
              Rüstungen seiner Mitfahrer huschten. Doch die meiste Zeit verbrachten 
              sie in Dunkelheit und Yelpir fühlte sich unwohl. Die Luft war 
              erdrückend und stank nach Metall, Öl und Benzin. Nichts 
              außer dem monotonen Summen des Aufzugs und den Atemgeräuschen 
              der Space Marines war zu hören. Wie gebannt starrte er auf 
              die leuchtende, von blassen Kondenstropfen bedeckte Positionsanzeige, 
              die sich immer nach einigen endlos scheinenden Augenblicken in die 
              nächsthöhere Zahl veränderte.
              
              Ebene XI...
              
              Die Sekunden verstrichen...
              
              Ebene XII...
              
              Die feine Servomotorik ihrer Rüstungen machte sich bemerkbar, 
              als sich die Space Marines aus ihrer Starre lösten und näher 
              an das Ausgangstor rückten.
              
              Ebene XIII...
              
              Der Aufzug wurde langsamer. Eine Armee heller Lichtflecke begann 
              von unten ihre Körper zu besteigen. Ein leerer Korridor kam 
              hinter dem verbogenem Gitter zum Vorschein.
              
              Ebene XIV...
              
              Das Tor schob sich fauchend beiseite, die Space Marines stürmten 
              hinaus und gingen in Stellung. Yelpir blieb im Lift stehen. Alles 
              verharrte in einer grotesken Erstarrung. Keine Bewegung. Stille. 
              Anspannung. Yelpir lauschte dem Hämmern seines Herzen. Doch 
              nichts geschah...
              Nach einer Weile gab Sergeant Norehca per Fingerzeig den Befehl 
              zum Weitermarschieren. Yelpir atmete erleichtert auf.
              
              
              
              Zehn Standardminuten später hatten sie den Treffpunkt, eine 
              großräumige sechsarmige Kreuzung, endlich erreicht. Keine 
              Spur von Sergeant Trebmals Trupp. Norehca versuchte die Komm-Verbindung 
              wiederherzustellen, doch die Leitung blieb tot.
              
              "Bruder Enak, Tiefen-Scan der unmittelbaren Umgebung!"
              
              Der angesprochene Marine aktivierte sein Auspex und begann die auseinanderlaufenden 
              Gänge damit abzutasten.
              
              "Ich habe sie! Alle zehn Positionsmelder sind aktiv."
              
              "Wo halten sie sich gerade auf?"
              
              "Planquadrat R8. Lagerhalle AM009. Sie haben ihre Untersuchung 
              anscheinend noch nicht beendet. Einen Moment, Bruder-Sergeant... 
              Da stimmt etwas nicht, sie bewegen sich nicht!"
              
              "Schnell! Vielleicht kommen wir noch rechtzeitig!"
              
              
              
              Sie waren tot. Alle. Tot. Allesamt.
              
              Norehca starrte grimmig auf die verstreut herum liegenden Leichname. 
              Die meisten lagen zusammengekrümmt hinter einer Kiste oder 
              einem Fass, den Bolter noch im Anschlag. Um sie herum Patronenhülsen 
              und Blutspritzer. Andere wiederum lagen auf dem Bauch oder auf dem 
              Rücken und sahen so aus, als würden sie lediglich ruhen. 
              Die Zeit schien den Todeskampf der Space Marines eingefroren zu 
              haben. Auf bizarre und perverse Weise wirkte die ganze Szenerie 
              irgendwie idyllisch.
              Norehcas Miene verfinsterte sich zunehmend, während seine Männer 
              die gefallenen Brüder untersuchten. Anhand seiner Beobachtungen 
              und Analysen versuchte der Sergeant nun die vergangenen Ereignisse 
              zu rekonstruieren. Trebmal und seine Männer hatten zuletzt 
              eine kreisförmige Stellung eingenommen. Dies bedeutete, dass 
              sie ihren Gegner nicht lokalisieren konnten, und dass der Angriff 
              von ihm ausgegangen sein musste. Doch die Verteidigungslinie wurde 
              augenscheinlich nie durchbrochen. Die Ordensbrüder wurden einer 
              nach dem anderen aus der Distanz ausgeschaltet. Das passte nicht 
              zusammen. Dies war mit Sicherheit nicht das Werk eines Xenomorphen.
              Bruder Senoj bestätigte sogleich Norehcas Annahme, als er ihm 
              den Helm eines Gefallenen präsentierte.
              
              "Sehen sie sich das an, Sergeant: Ein glatter Durchschuss. 
              Das Projektil hat die Stirn von Bruder Enopa frontal durchschlagen, 
              Gehirn und Zentralmark zertrümmert und ist dann wieder am Hinterkopf 
              ausgetreten. Seltsamerweise habe ich es nirgendwo finden können. 
              Ebenso gibt es keinerlei Spuren vom Angreifer."
              
              Norehca nahm den durchlöcherten Helm an sich und betrachtete 
              ihn eingehend. Bruder Namrog gesellte sich zu ihnen.
              
              "Bei den anderen haben wir ein ähnliches Muster 
              entdeckt. Gezielte Schusswunden an kritischen Körperzonen, 
              jedoch keine weiteren Anzeichen, die auf den Einsatz von Schusswaffen 
              zurückzuführen sind. Unsere Brüder konnten keinen 
              einzigen Treffer erzielen. Der Feind muss sehr gut getarnt gewesen 
              sein und ist äußerst geschickt vorgegangen. Ich glaube, 
              dass es ein Hinterhalt gewesen ist, Bruder-Sergeant!"
              
              Norehca löste seinen Blick von dem Helm. Ein dunkler 
              Schatten der Vorahnung war auf sein Antlitz gefallen.
              
              "Ja, wir haben noch jemanden hier an Bord. Jemanden, der seine 
              Sache sehr genau macht und seine Fährten verwischt. Jemanden, 
              der scheinbar mühelos zehn kampferprobte Space Marines des 
              Imperators ausschalten kann, ohne eine einzige Wunde hinnehmen zu 
              müssen!"
              
              Norehcas Stimme überschlug sich vor Zorn und Verbitterung. 
              Yelpir hatte nach dem Verlust von Rekraps Trupp nicht geglaubt, 
              dass sich die Gesichtsfarbe des Sergeants in einen noch stärkeren 
              Rotton hätte verwandeln können. Er hatte sich gründlich 
              geirrt.
              
              "Es könnten auch mehrere gewesen sein..."
              
              "Ja, eventuell... Dennoch..."
              
              "Sergeant?"
              
              "Nichts weiter... Wie steht es um die Progenoiddrüsen?"
              
              "Sind bei allen zehn Gefallenen intakt geblieben."
              
              "Gut. Mehr können wir hier nicht tun. Möge der 
              heilige Imperator sein ehernes Schild über ihre tapferen Häupter 
              ausbreiten. Wir werden sie rächen!"
              
              Yelpir konnte nicht hinsehen. All die Toten, all das Blut... Böse 
              Erinnerungen erwachten aus ihrem tiefen Schlummer. Die Höhle 
              rief ihn wieder, lockte ihn, drohte ihn zu verschlingen. Er folgte 
              dem stummen Befehl. Finsternis umgab ihn, aber inmitten der umzingelnden 
              Schatten sah er ES wieder. Den Jäger. Yelpir starrte in seine 
              bleiche Totenmaske. Das Herz blieb ihm stehen. Sein Nacken glühte. 
              Sein gesamter Körper schrie danach, umzudrehen und aus der 
              Höhle herauszurennen. Doch er tat es nicht. Er konnte nicht.
              Etwas berührte ihn an seiner Schulter. Es war der kalte Handschuh 
              eines Space Marines. Yelpir blickte auf. Die Totenmaske hatte sich 
              in den Helm eines Space Marines verwandelt. Es war Bruder Krub.
              
              "Alles in Ordnung? Können sie weitergehen?"
              
              Yelpir bemerkte, dass er auf dem Boden lag. Die Decke kreiste 
              über ihm wie wild. Ihm war schwindelig und speiübel. Trotzdem 
              log er: "Es geht... Nur ein kleiner Schwächeanfall..."
              
              "Halten sie durch. Bis zur Kommandobrücke ist es 
              nicht weit."
              
              Der Space Marine half ihm hoch. Yelpir taumelte zunächst, 
              aber es gelang ihm auf seinen wackligen Beinen stehen zu bleiben. 
              Dann setzten sie ihren Marsch fort. Die Totenmaske hatte sich jedoch 
              in Yelpirs Geist gebrannt und schwebte ihm unablässig vor den 
              Augen. ES folgte ihm.
              
              
            
            VI
              
            +++ Havarierter Raumfrachter 'Prometheus'
              +++ Ebene XV, Planquadrat Z8, Kommandobezirk
              
              "Achtung! Ich habe hier ein paar Echos im Vorfeld. Schwache 
              Anzeichen von Molekularverlagerung."
              
              "In Deckung! Feuerbereitschaft!" befahl Sergeant Norehca 
              mit Zuhilfenahme einiger knappen Handzeichen. Zusammen mit Enak 
              und Namrog rannte er dann nach links und presste sich an die graue 
              Korridorwand. Bruder Enak legte sich vor ihm auf den Boden und robbte 
              ein kleines Stück vorwärts, während Namrog sich neben 
              ihm hinkniete. Alle drei hatten ihre Bolter im Anschlag und leuchteten 
              mit ihren Suchscheinwerfern nach vorne in das ungewisse Dunkel. 
              Yelpir rückte mit dem Rest des Trupps an der rechten Wand bis 
              zu der Einmündung eines Seitengangs vor, wo sie dann hinter 
              der Ecke in Deckung gingen.
              Im Licht der Scheinwerfer konnte Yelpir am Ende des Korridors die 
              Schemen einer großen, offenstehenden Tür sehen, aus der 
              ihm schwach einige bunte Miniatursterne entgegenblinzelten. Es war 
              der Haupteingang zu der Brücke des Frachters. Die Distanz betrug 
              vielleicht gerade einmal 200 Meter. Aber da draußen war etwas, 
              das schienen sie alle zu spüren. Die unzähligen seitlichen 
              Abzweigungen des Hauptflurs wirkten wie gähnende Mäuler.
              Nach einigen nervenzerreißenden Augenblicken meldete Bruder 
              Enak knapp und so leise, dass Yelpir auf der anderen Seite des Korridors 
              es mehr nicht verstehen konnte: "Echo verloren."
              Norehca deutete mit ausgestrecktem Arm auf die offene Tür und 
              befahl: "Langsam vorrücken. Seitengänge kontrollieren." 
              Senoj und Krub, die neben Yelpir knieten, verstanden die Gestik 
              sofort, ohne den genauen Wortlaut der Befehle wirklich vernommen 
              zu haben.
              Enak stand vorsichtig auf und ging geduckt voran. Er hielt sich 
              dicht an der Wand. Namrog und der Sergeant folgten ihm auf einigen 
              Metern Abstand. Auf der rechten Seite rückten Krub, Senoj und 
              Yelpir vor. Die ersten Seitengänge, die ihren Weg säumten, 
              erwiesen sich als leere Sackgassen.
              
              Noch 175 Meter...
              
              Heißer Schweiß tropfte von Yelpirs Stirn. Das Herz schlug 
              ihm bis zum Halse, und um ein Vielfaches schneller als Bruder Enaks 
              monoton piepsende Scanner.
              
              Noch 150 Meter...
              
              Eine große Kreuzung lag still vor ihnen. Norehca schickte 
              Enak vor, der Rest ging auf Feuerbereitschaft. Enak lugte vorsichtig 
              um die Ecke und durchleuchtete den kreuzenden Gang gründlich. 
              Dann gab er das Zeichen dafür, dass die Stellung sicher war. 
              Der Trupp setzte sich wieder in Bewegung.
              Enak ging noch drei einsame Schritte weiter, seine letzten.
              
              Denn mit einem beißenden Zischen schnellte plötzlich 
              neben ihm die Stahlwand empor, als eine verborgene Tür geöffnet 
              wurde. Heraus schoss eine riesige Klaue, die den überraschten 
              Space Marine senkrecht aufspießte.
              
              "FEINDKONTAKT!!!"
              
              Sofort eröffneten seine Brüder das Feuer. Die Klaue wurde 
              blitzschnell wieder zurückgezogen und verschwand in der schwarzen 
              Öffnung. Sergeant Norehca löste eine Sprenggranate von 
              seinem Gürtel, zog die Sicherung mit gebleckten Zähnen 
              heraus, und schleuderte sie im Vorbeilaufen hinterher.
              
              "GRANATE! IN DECKUNG!"
              
              Das Feuer brach abrupt ab. Die Marines warfen sich flach hin, der 
              untätige Yelpir wurde von Senoj mit zu Boden gerissen. Er hielt 
              seinen Kopf unten und biss die Zähne zusammen. Eine einsame 
              Sekunde später erfolgte die Detonation. Boden und Wände 
              vibrierten durch die Explosion.
              Yelpir blickte zaghaft auf. Grauer Dunst strömte aus der Öffnung. 
              Totenstille, wenn nicht das Klingeln in seinen Ohren gewesen wäre. 
              Dann ein markerschütterndes Kreischen. Ein gewaltiger Körper 
              schob sich durch die Tür ins Freie und zerfetzte die blassen 
              Nebelschwaden.
              
              "FEUER FREI!!!"
              
              Das Mündungsfeuer der Bolter tauchte den Korridor in ein Blitzgewitter, 
              während das Stakkato der Salven vielfach verstärkt von 
              den Wänden widerhallte. Ungeachtet ihrer Verwundungen stürmte 
              die Bestie vorwärts. Pfeilschnell schoss etwas Hakenfömiges 
              aus ihrer Brust und bohrte sich in den Unterleib von Bruder Krub. 
              Der Fanghaken zog den unablässig weiterfeuernden Space Marine 
              direkt vor das Angesicht des Ungetüms, wo er dann von mehreren 
              Hieben durch die zwei mächtigen Klauenarme in Stücke gehackt 
              und zerfleischt wurde. Norehca steckte die Boltpistole ein und zog 
              sein Kettenschwert.
              
              "Yelpir, rennen sie so schnell wie sie nur können!"
              
              Yelpir brauchte eine Weile, bis er den einfachen Befehl verstanden 
              hatte und seinen Blick von den zuckenden Körperteilen des zerstückelten 
              Kriegers lösen konnte. Dann wirbelte er endlich herum und rannte 
              los.
              
              Noch 125 Meter...
              
              Der vielgliedrige Körper des Xenomorphen erbebte unter den 
              unzähligen Einschlägen der Boltgeschosse, die auf ihn 
              einprasselten. Eine der beiden Sensenklauen hing schlaff herunter. 
              Rosarotes Blut spritzte auf Boden und Wände.
              
              "Feind als Liktor klassifiziert," erklang die beiläufige 
              Bemerkung von Bruder Senoj.
              
              Noch 100 Meter...
              
              Yelpir wagte es nicht zurückzuschauen. Er hielt die Rettung 
              verheißende Tür fest im Blickfeld.
              
              Der Liktor schien die tiefen Wunden mühelos wegzustecken und 
              stürzte sich mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll auf 
              die drei verbliebenen Marines. Norehca konnte sich noch rechtzeitig 
              zur Seite abrollen, doch Namrog wurde von dem anstürmenden 
              Monstrum umgerannt. Er ging zu Boden und verlor seine Waffe. Gerade 
              als er sich wieder hochstemmen und nach dem Bolter greifen wollte, 
              war der Liktor schon über ihm. Der Xenomorph rammte ihm seine 
              Beinkrallen in den Rücken und drückte ihn nieder. Dann 
              fuhr die gesunde Sensenklaue wie ein Donnerblitz senkrecht in das 
              Genick des zappelnden Space Marine.
              
              Noch 75 Meter...
              
              Yelpirs Lungen schmerzten bei jedem Atemzug wie von tausend Nadeln 
              gestochen. Er vernahm einen heiseren Kampfschrei.
              
              Norehca sprang auf den stacheligen Rücken des wütenden 
              Gegners, der noch über seiner erschlagenen Beute thronte. Sein 
              Kettenschwert heulte auf und schnitt sich mit einem zerquirlendem 
              Geräusch in das dunkle Fleisch der Bestie. Der gepeinigte Feind 
              gab einen schrillen Schmerzenslaut von sich und versuchte den Angreifer 
              abzuschütteln. Blutige Hautfetzen und Knochensplitter flogen 
              aus der tiefen Wunde, die Norehca in ihn hineingrub. Bruder Senoj 
              stellte das Feuer ein, um ihn nicht noch zusätzlich zu gefährden.
              
              Noch 50 Meter...
              
              Yelpirs Atem flog. Nasses Haar klebte auf seiner Stirn. Beinahe 
              wäre er im vollen Lauf ausgerutscht und hingefallen, doch er 
              konnte sich noch taumelnd an der glatten Wand festhalten. Beim Aufprall 
              verstauchte er sich die rechte Hand, doch er merkte es nicht einmal. 
              Er rannte blindlings weiter ohne sich umzudrehen.
              
              Der Liktor warf sich rücklings gegen die Wand, um seinen Gegner 
              endlich loszuwerden. Der Kopf des Sergeants schlug hart gegen den 
              Stahl auf und der Schädelknochen brach. Er verlor den Halt. 
              Befreit von dem garstigen Stachel in seinem Nacken richtete sich 
              der Liktor wieder zu voller Größe auf. Trotz der klaffenden 
              Verwundungen und der zerschundenen Glieder loderte noch immer ein 
              heißer Blutdurst in den grausamen Augen. Senoj eröffnete 
              sofort wieder das Feuer auf ihn und wich einige Schritte zurück. 
              Die Sprengmunition riss gewaltige Löcher in die bereits zersiebte 
              Haut des Geschöpfes. Wutentbrannt drehte es sich um und holte 
              zu einem mächtigen Schlag aus. Senoj pumpte unablässig 
              eine Salve nach der anderen in die kreischende Todesgestalt, doch 
              sie schien unaufhaltsam. Sein Todesschrei hallte durch durch den 
              blutüberströmten Gang.
              
              Noch 25 Meter...
              
              Yelpir ignorierte den Schrei und seine brennende Beinmuskulatur. 
              Er hatte nur noch eines im Sinn: Die Tür. Die Rettung. Die 
              rettende Tür. Sie war so nahe. So nah...
              
              Der Xenomorph wandte sich um und geiferte seinen letzten verbliebenen 
              Gegner an, der sich eben wieder erhoben hatte. Norehca spuckte Blut 
              und Speichel. Blut sickerte aus seiner Kopfwunde. Sie starrten sich 
              an. Dann stürmten sie aufeinander los. Im vollen Lauf zog Norehca 
              seine Boltpistole und feuerte. Gleichzeitig setzte der Liktor zu 
              einer Sprungattacke an. Wie in Zeitlupe sah Norehca das Ungetüm 
              auf sich zufliegen. Er schleuderte die Pistole fort, packte sein 
              Schwert mit beiden Händen und brüllte ihm mit grimmiger 
              Miene seinen Hass entgegen.
              
              GESCHAFFT!
              
              Yelpir flog förmlich durch die offene Tür. Sein Herz vollführte 
              Freudensprünge der Erleichterung. Die Erschöpfung überwältigte 
              ihn. Er sank nach Luft ringend zu Boden.
              Und er bemerkte nicht, dass er nicht alleine auf der Brücke 
              war...
              
            
            FORTSETZUNG FOLGT...