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Eine unwiderstehliche Großartigkeit der Visionen,
eine nicht verwelkende Erfindungsgabe und eine tiefe Menschlichkeit,
die ihm eine seltene Größe verleihen.
- Sunday Times -



DER HOBBIT - EINE UNERWARTETE REISE


48fps:

Darüber werden vermutlich die meisten diskutieren, was bisserl schade um den Film an sich ist, da das ganze Technologiegedöns drumherum vom Inhalt ablenkt, aber im Gegensatz zu Guillermo Del Toro wollte Peter Jackson es nun mal so. Man kommt jedenfalls nicht drumherum, denn den Film auf 3D in 48 Bildern pro Sekunde zu sehen ist nun mal definitiv von Anfang bis Ende sicht- und spürbar.
Wie es mir damit ergangen ist? Zum einen bin ich mental vorbereitet ins Kino gegangen und habe mich daher darum bemüht, die kulturell gewachsenen Vorurteile abzudämpfen - denn es sind Vorurteile. Sehgewohnheiten. Nichts weiter.
Trotzdem bin ich nicht voll und ganz überzeugt. Keiner kann behaupten, dass 48 fps in allen Belangen besser sein soll - das hier ist nicht der Wechsel vom Stummfilm zum Tonfilm, es ist keine verlustfreie Aufwertung. Es geht was verloren und es wird was hinzugewonnen. Verloren gehen z.B. die malerischen Qualitäten des alten Kinolooks. Bewegungen wirken nun zwar realitätsnah, aber damit auch zappeliger. Man kann es besonders an Haaren und Kostümen sehen, all die vielen Details und kleinen Bewegungen erzeugen Unruhe. In vielen Momenten ist es toll anzusehen, manchmal wirken die Haare aber ein wenig unecht, da man sie nun viel genauer studieren kann, auch angegurtete Waffen fallen nun mehr auf, wenn sie irgendwie unfreiwillig lustig herumbaumeln - lebensecht halt - aber in Sachen Kinoeffekt raubt es den Charakteren in manchen Szenen das Majestätische. Das ist schade.
Mir ist aufgefallen, dass das Majestätische nun vor allem VFX-Charakteren vorbehalten ist - ob nun die (meiner Meinung nach zu märchenhaft-übertriebenen) Steinriesen oder die Adler - die Bewegungen sind verlangsamt, beinahe Slow-Motion, und das verleiht ihnen Größe und Würde. Vielleicht müssen sich Schauspieler an 48 fps anpassen, mehr darauf achten sich nicht zu viel zu bewegen, nicht zu viel zu tun. Und Kostüm- und Maskenbildner müssen eventuell versuchen mehr Statik in ihre Werke zu bekommen.
Aber bleiben wir bei den VFX: Die können zwar fast durchweg überzeugen und sind absolut oscarreif, aber es gibt durch den Realismus der 48 fps interessanterweise den Effekt, dass allzu übertrieben inszenierte VFX-Shots zwar optisch einwandfrei sind, aber vom Kopf her kaum zu schlucken sind. Da ist mir z.B. die Telleraufräumszene mit den Zwergen aufgefallen. Eingebettet in den Fotorealismus ist ihre wundersame akrobatische Art und Weise das Geschirr wegzuräumen einfach an der Grenze der Glaubwürdigkeit. Auch manche Kampfszenen sind zu over-the-top. Hier müssen in meinen Augen also auch die VFX-Sequenzen im Hinblick auf die 48 fps angepasst werden, hier indem man sie bodenständig hält, Fantasyfilm hin oder her.
Auf der Habenseite haben wir neben dem besseren 3D-Effekt all die angepriesenen Vorteile durch lebensechtere 48 Bilder pro Sekunde. Toll sind z.B. alle Kameraschwenks, die nun gestochen scharf und sanft ablaufen, statt durch die Bewegung verschwommen oder stotterig zu sein. Große Landschaftspanoramen wirken nun nicht mehr malerisch-verträumt sondern in Kombination mit dem 3D-Effekt wie Helikopteraufnahmen. Und da wir eher selten per Helikopter unterwegs sind, sieht es zwar durchaus ein wenig befremdlich aus, hat aber auch wieder seine eigene gänzlich neue Schönheit. Daran könnte ich mich gewöhnen.
Ebenso schön sind kleine Details, vor allem im Bereich der Elemente wie Feuer, Wasser und Rauch, die nun aufgenommen und wiedergegeben werden können. Flammen tänzeln nun wie in der Wirklichkeit wild herum (wobei es mir wieder ein wenig zu schnell wäre, wenn die Szene majestätisch sein soll), Regen und Wasser ist klar zu erkennen, Funken und Rauch fliegen eindrucksvoll herum. Auch hier punktet die neue Technologie.
Alles in allem kann man nicht sagen, dass 48 fps wie Fernsehen oder ein Computerspiel aussieht. So sieht kein Fernsehfilm oder Computerspiel aus. Es ist einfach eine neue Art Kinofilm. Anders als gewohnt. Mit neuen Stärken (die in weiteren Filmen u.U. noch ausgebaut werden) und neuen Schwächen (die evt. vermindert werden durch neues Know-how).
Ich muss mir zwar den Film noch als 24 fps (vorzugsweise 2D) Film ansehen um den direkten Kontrastvergleich zu haben, ich glaube aber nicht, dass ich von meinem Fazit abrücken und eine Version klar bevorzugen werde. Beide Frameraten haben ihre jeweiligen Stärken und Schwächen.
(Ah, eines sollte noch nicht unerwähnt bleiben: eine weitere Schwäche betrifft 3D im allgemeinen und hat mit 48 fps nichts zu tun: 3D-Filme sind deutlich dunkler als klassische Filme, es wird im Maximum bei weitem nicht das volle Weiß erreicht, das Bild verliert also an Kontrast und Brillanz - das wird aber vielleicht in Zukunft noch behoben, wenn es leistungsstärkere Beamer gibt. Bis dahin gilt also: Das beste Bild bekommt man in 2D, egal ob 24 oder 48 fps)


Film:
Soweit zur Technik, zum Film muss ich nicht ganz so viel sagen - er ist sehr gut gelungen! PJ & Co. konnten glücklicherweise das Niveau der HdR-Trilogie halten. Im Grunde leidet der "Hobbit" nur darunter, dass es schon besagte Filme gegeben hat, und ein wenig darunter, dass das Ausgangsmaterial nicht ganz so episch ausgelegt ist. Es gab bei "Die Gefährten" zwar auch noch keine Schlacht, aber über den ganzen Film gab es die Bedrohung durch Sauron in den Visionen und in Form der Nazgûl sowie einen vorzüglichen "MacGuffin" in Form des Einen Rings. Es ging um etwas, es ging um ganz Mittelerde. Hier beim "Hobbit" ist es "nur" ein Abenteuer. "Nur" die Rückeroberung eines einsamen Berges voller Gold. Das hat einfach nicht dieselbe emotionale Höhe.
Ansonsten gibt es herausragende Szenen zu sehen, wie z.B. mit Gollum, den man in den nächsten beiden Filmen schmerzlich vermissen wird. Andy Serkis und seine VFX-Artists überzeugen mal wieder komplett. Schauspielerisch gibt es aber auch ansonsten nichts zu meckern. Cate Blanchett ist in 3D und 48 fps noch schöner als man(n) es sich vorstellen kann, und da sie sich bewusst langsam bewegt, behält sie auch ihre majestätische Aura - Sir Ian McKellen verleiht Gandalf dem Grauen wunderbare menschliche Seiten (welche Gandalf der Weiße in "Die Zwei Türme" und "Die Rückkehr des Königs" im Kriegsgetümmel nicht mehr so ganz hatte) - und die 13 Zwerge sind perfekt gecastet. Nur etwas schade, dass ein paar der Zwerge aufgrund der knappen Zeit erst recht spät im Film etwas zu sagen bekommen und charakterisiert werden. Das wird u.U. in der Extended Edition behoben.
Einzig mit Martin Freeman als Bilbo bin ich nicht ganz glücklich. Es sind aber nur Nuancen. Es fehlt ihm ein wenig die Wärme und gutmütige Naivität des Sir Ian Holm. Martin Freeman spielt und spricht wie der geborene Komiker, der er ist. Den gemütlichen Hobbit nehm ich ihm nicht so ganz ab. Auch nicht den naiven Hobbit, der auf Abenteuerreise geht. Sein Bilbo wirkt einen Tacken zu abgeklärt, zu bewusst, ein wenig zu gemein und schlecht gelaunt. Das sorgt für viele lustige Zoten auf seine und auf andere Kosten, aber nicht für emotionale Tiefe. Das kurze Hin und her am Ende wirkt daher ein wenig konstruiert.
Apropos Konstruktion: Die Änderungen am Originalstoff sind nicht so zahlreich oder gravierend wie beim Herr der Ringe, das einzige was mir ein wenig negativ aufgefallen ist, war der Umstand, dass Azog und seine Wargreiter anscheinend die Verfolgung quer über das Nebelgebirge durchgeführt haben. Keine Ahnung wie gut Warge klettern und im Schnee unterwegs sind, aber etwas grenzwertig war das schon.
Ansonsten geht die ganze Chose mit Azog für mich in Ordnung. Dramaturgisch braucht der Film einen Antagonisten und einen Showdown - das wurde auf diese Weise gut gelöst, ohne ganz Mittelerde auf den Kopf zu stellen. Kann man sich durchaus auch als Buch-Fan alternativ so vorstellen. Und besonders vom Design her ist Azog wirklich klasse, er hat eine starke Präsenz. Mal gucken, ob es bei der Schlacht der Fünf Heere zu einem Wiedersehen kommt.
Storytechnisch füllt der Film seine fast drei Stunden sehr gut, ohne große Längen. Es war wohl die richtige Entscheidung drei Filme daraus zu machen, so hatte man hier genug Zeit die Vorgeschichte auszubreiten und den einzelnen Charakteren genug Momente zu geben. Und der Film ist dadurch nicht überladen, ihn über Beorn und die Waldspinnen bis Thranduils Höhlen weiterzuführen hätte die Handlung und die Aufnahmefähigkeit der Zuschauer in meinen Augen überstrapaziert. So verbleibt Gollum als klarer Höhepunkt des Films und der Kampf der Zwerge mit den Orks bildet das Drumherum, Thorin und Bilbo sind am Ende jeweils einen Schritt weiter. Ein runder Abschluss der ersten Episode, es gibt im zweiten und dritten Teil noch genug zu erzählen. In einem Jahr geht's weiter!


Huân Vu, 2012




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