Segnungen

von Heiko Stallmann

Mit Fingern, die in dicken Handschuhen steckten nahm Arthur Kent das Pergament von der mit heiligen Glyphen und Ornamenten versehen Steingutflasche. Das Geräusch seiner aufeinander schlagenden Zähne war lauter als das Rascheln des trockenen Pergaments als er es entrollte und anfing zu lesen. Er widerstand der Versuchung in die Hände zu hauchen. Vor einer Woche als die Schneestürme einsetzten hatte er es noch getan, aber als es kälter wurde, gefror die Feuchtigkeit in seinem Atem auf dem Stoff der Handschuhe und kühlte sie noch mehr aus.
"Oh Diener des allmächtigen Imperators auf Terra. Lobe und preise Seine Heiligkeit und danke Ihm dafür, dass du der Gnade zuteil wirst Ihm dienen zu dürfen. Lobe und preise Ihn dafür, das du der Gnade zuteil wirst, das gelobte und geheiligte Balsam zu erhalten, auf das deine Waffe mit Seinem Segen die Ordnung Seines Wortes unter die verblendeten Häretiker und widernatürlichen Xenos bringe. Um deine Waffe mit dem heiligen Balsam zu segnen, läutere zunächst deine Gedanken und deine Seele mit den heiligen Liturgien der Reinheit. Bist du derart geläutert rufe zunächst Seine Heiligkeit auf Terra in deinen Gebeten an, auf das Sein Segen dir zuteil werden wird. Öffne nun das gesegnete Gefäß und intoniere dabei die feierlichen Hymnen des Glaubens. Benetze nun die Waffe, das Instrument Seiner Gnade an dich, mit dem heiligen Balsam und erfreue dich an den Gedanken das du nun Seiner Herrlichkeit besser zu dienen vermagst."
Kent unterbrach sich um zu räuspern und mit einer Hand die Eiskristalle von seinen Augenbrauen zu kratzen, die sich durch seinen Atem dort gebildet hatten, ehe er fortfuhr.
"Lobe und preise Seine Heiligkeit und danke Ihm dafür, dass du der Gnade zuteil wirst Ihm dienen zu dürfen. Verschließe nun das gesegnete Gefäß und beschütze es als die heilige Reliquie, welche deinem Leben einen neuen Sinn gegeben hat. Es soll nun der Mittelpunkt deines Lebens und Strebens sein. Gedenke daran, wenn sich die Verderbtheit in deine Gedanken zu schleichen versucht und erinnere dich an Seine Gnade, welche auf dich gefallen ist. Beschütze es mit deinem Leben."
Arthur Kent ließ das Pergament in den Schneematsch zu seinen Füßen fallen und sah sich das Gefäß genauer an. Es war aus einer Art Steingut mit einem Korken in einem geschwungenen Flaschenhals. Zwei Bügel oder Griffe waren an dem bauchigen Körper des Gefäßes angebracht, dass Arthur entfernt an eine Flasche erinnerte. Das ganze Gefäß war mit Symbolen und Gebeten bedeckt. Er drehte es einen Moment in seinen Händen, schüttelte das Gefäß ordentlich durch und zog dann den Korken heraus. Eine feine Wolke bildete sich über der Öffnung. Kent hielt das Gefäß an einem langen Arm von seinem Körper weg und goss etwas von dem Inhalt über die Mechanik seines schweren Bolters, der auf einem Dreibein ruhte und in der Geschützstellung stand, in der Kent zusammen mit Kenneth McDermot Dienst tat. Augenblicklich lösten sich die Eisverkrustungen und Zapfen von der Waffe und Kent konnte sie wieder bewegen. Prüfend lud er den Bolter durch und setzte sich dann wieder in Deckung der Sandsäcke.
Dichter Schnee wurde von einem schneidend kalten Wind um die Stellung geweht und hatte auf der einen Seite der durch Sandsäcke gesicherten Stellung bereits eine mächtige Schneewehe gebildet. Ein winziges Feuer brannte in der halbrunden Geschützstellung und verwandelte den ansonsten gefrorenen Boden in einen klebrigen Matsch. McDermot hatte es in mühseliger Kleinarbeit angezündet und bestand nun darauf, dass es weiter brannte, auch wenn es kaum Wärme für die beiden Soldaten des 42. Caledokischen Infanterieregiements abgab und stattdessen nur den Schnee abtaute.
Beide Soldaten waren in lange Wintermäntel mit weißem Tarnmuster gekleidet und trugen dicke Mützen unter ihren Helmen. Schutzbrillen bedeckten den gesamten oberen Teil ihrer Gesichter. McDermot lehnte ein paar Schritte entfernt über die Sandsackbarriere und spähte mit einem Fernglas in den Schneesturm.
Einen Augenblick später nahm er das Glas herunter und rieb sich die schmerzenden Augen. "Mann oh Mann", stöhnte er.
"Ich schwör's dir Arthur. Wenn wir noch lange hier bleiben werde ich blind. Wenn ich mir nicht vorher den Arsch abfriere." Er ließ sich neben Kent auf eine Munitionskiste fallen und streckte die Hände in Richtung des kleinen Feuers aus, obwohl er wusste, dass es ihn eigentlich nicht wärmen würde. Kent hielt noch immer das Gefäß in der Hand und betrachtete es eingehend. Vorsichtig roch er an der Öffnung.
"Ääähh, das riecht wie der verdammte Kräuterschnaps von der alten Mary McDonnel. Erinnerst du dich an den widerlichen Fusel?"
"Ach was du wieder quatschst. Woher hast du das überhaupt?"
Ohne auf Kents Antwort zu warten nahm McDermot das Gefäß und hob es an seine Lippen. Er legte den Kopf in den Nacken und nahm einen langen Zug.
"Aahh, is doch gar nicht so schlecht", grunzte er zufrieden und wischte sich mit der Hand über den Mund.
Kent starrte seinen Kameraden mit aufgerissenen Augen und offenem Mund an. "Ähhh....aber...", stammelte er und wies halbherzig mit einer Hand auf den schweren Bolter.
"Was is? Hast du das Eis abgekriegt? Ist ja super."
"Hmm... Kenneth?
McDermot nahm noch einen Schluck aus dem Gefäß und klopfte sich auf den Bauch.
"Mann, das wärmt durch...Entschuldige, hast du was gesagt?"
Kent starrte auf das Gefäß in McDermots Hand und dann auf McDermot selbst.
"WAS", fragte McDermot laut.
"Ach nichts."
Kent streckte die Hand aus.
"Gib mir auch einen Schluck!"



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