Verlierer

von Michael Zupp

"Meister! Herr! NEIN! NEINNEIN!!!" Lunder Ultrahen, Skorpionkriegerexarch vom Eldar Weltenschiff Biel Tan stürzte an die Bare seines Meisters. Seine Augen starrten ungläubig, und vor Wut und Angst geweitet auf den zerschundenen Körper des Runenpropheten. Die dunkelgrüne Robe Eliatans war zerschlissen und von hellem Blut getränkt. Seine äonenalte Runenrüstung war von wuchtigen Hieben zerschmettert. Eliatans Augen waren halb geöffnet, doch starrten sie durch die ihn umsorgenden Heiler hindurch.
Sein fahles Gesicht war aschgrau und wirkte zwischen der langen Mähne aus goldblondem Haar ziemlich unnatürlich.
Lunder wurde von zwei Banshee Aspektkriegerinnen aufgehalten, als er sich Eliatan nähern wollte. "Hier ist kein Platz für dich!" rief die eine. Ihre Stimme hörte sich durch die Kampfmaske schrill und verzehrt an. "Geh und hilf unseren Schwestern die heilige Stätte von GoutīGonra zu verteidigen. Die Chem-Pan-Sey könnten zurückkehren!"
Lunder starrte fassungslos von einer Kriegerin zur anderen. Sie standen zu beiden Seiten des Exarchen und hielten je einen seiner Arme fest. Nicht zwingend und brutal, aber bestimmt und stetig schoben sie Lunder davon.
"Lasst mich durch ihr närrischen Weiber!" schrie Lunder in seiner Pein, und er fühlte wie Tränen der Wut über sein von Schnitten übersätes Gesicht liefen. "Da stirbt der größte Runenprophet in der Geschichte Biel Tans. Lasst mich zu ihm!" Er versuchte sich zu befreien. Die Banshees griffen fester zu. "Du kannst ihm nicht helfen. Lass diese Arbeit jene tun, die die Fähigkeit dazu besitzen!" zeterte die andere Kriegerin. "Zurück zu deinen Kämpfern!" Lunder wand sich unter dem Griff der Banshees und schlug mit der flachen Hand nach einer Kriegerin. Sie wehrte den ungezielten Schlag ab und warfen Lunder zu Boden. "Geh jetzt!"
Lunder versuchte brabbelnd wieder auf die Beine zu kommen. Nein, nicht Eliatan! Nicht seinen Herrn! Oh, diese verdammten Chem-Pan-Sey! Diesmal waren sie zu weit gegangen. Wäre es möglich gewesen, Lunder hätte sein Leben für das des Propheten gegeben ...Wut kochte in Lunder. Mehr als normal. Viel mehr. Blendender, schwellender Hass stieg in dem Exarchen hoch...und dann passierte es.
Die beiden Aspektkriegerinnen hatten sich zum gehen gewandt. Sie bewegten sich zurück zur Trage des Propheten, wo er immer noch von Heilern umgeben war, und von einem inzwischen eingetroffenen Trupp Gardisten bewacht wurde.
Langsam, ganz langsam stemmte Lunder seinen Körper nach oben und stand schließlich aufrecht. Seine Lungen blähten sich und in einem ihm selbst unbekanntem Bass brüllte er: "Seit alle verdammt!!!" Die Lautstärke war enorm. Die Banshees sprangen zurück und zogen ihre knisternden Energieschwerter. Die Heiler stoben verwirrt auseinander und die Gardisten brachten ihre Shurikenkatapulte unwillkürlich in Anschlag. Alles starrte auf den vom Kampf gezeichneten Skorpionkriegerexarchen. Lunder hatte sich in eine gebeugte Haltung fallen lassen. Sein Gesicht war zu einer grinsenden Fratze verzerrt. Die schwarze symbiotische Masse, die sich unablässig auf seiner Rüstung bewegte, raste jetzt in groben, gezackten Mustern über seinen ganzen gepanzerten Körper. Die Luft um Lunder schien dickflüssig und zäh wie Sirup zu werden. Seine Bewegungen waren langsam und schemenhaft. Es war, als könnte man die Zeit selbst greifen und wie mit einem Messer zerschneiden. DÄMONENWERK!!!
"Ich werde die Chem-Pan-Sey bezahlen lassen für ihre Taten. Ich werde nicht eher ruhen, bis das letzte dieser Tiere nur noch ein Haufen verrottenden Fleisches ist. Möge Slaanesh ihre verdreckten Seelen fressen!!!" Die fremde Stimme kam nur aus Lunders Richtung, seine Lippen bewegten sich kaum. Doch dafür konnten die Anwesenden die nun folgende Veränderung beobachten. Der Exarch warf urplötzlich den Kopf in den Nacken. Seine Augen weiteten sich im Schmerz, und er warf sich zu Boden. Ein erstickter Schrei kam von Lunders Lippen, als der Chaossymbiont ohne Warnung durch Lunders Rüstung sickerte, und diese dabei völlig auflöste. Dann traf der Symbiont auf Lunders Haut, und verrann in dieser. Lunders Körper sog die ölige Masse auf. Verschluckte sie scheinbar gierig ganz und gar.
Der nackte Exarch lag gekrümmt am Boden und presste die Augen zu. Die Verteidiger Biel Tans konnten nichts tun und schienen wie gelähmt.
Mit einem mal riss Lunder die Augen auf. Seine Iris war pechschwarz, und seine Pupillen gänzlich verschwunden. Auf das Gesicht des Kämpfers trat wieder dieses teuflische Grinsen, das schon vielen Feinden der Eldar zum Verhängnis geworden war.
Ohne Mühe sprang Lunder auf die Beine und richtete seinen Blick auf die Gruppe um Eliatan. Er sagte etwas, aber seine Worte gingen in der wabernden Sirupluft unter.
Dann sprudelte der Symbiont aus allen Poren des Exarchen. Lunder schrie, als er buchstäblich von der schwarzen Masse eingeschlossen wurde. Von Kopf bis Fuß. Die schwarze Masse um Lunder bildete ein groteske Parodie auf seine frühere Rüstung. Sein Kopf war zu seiner alten Maske geworden, nur pechschwarz und breit grinsend. Seine Augen glühend wie Kohlen aus der Esse des Vaul. Mit einem langgezogenen Kriegsschrei streckte Lunder seine neue Gestalt gegen den Nachthimmel von Myridan.
Irgendwann gewann einer der Gardisten seine Fassung zurück und feuerte aus seiner Waffe auf die schreckliche Szene vor sich. Seine Gefährten folgten seinem Beispiel und durchlöcherten die Dämmerung mit Salve auf Salve folgenden Shuriken. Doch Lunder war schon längst nicht mehr da...


Ordenspriester Davion sprang wutentbrannt von der Teleportationsplattform des Schlachtkreuzers "BALTUS". Die kümmerlichen Überreste der Expedition, die der verehrte Scriptor Bruder Jorge angeführt hatte folgten ihm, so gut sie konnten. Es war nicht mehr viel übrig.
Was für ein Misserfolg! Wie konnte dies geschehen? Die mächtigen Silver Skulls, Erben des Roboute Guillaume, Diener des Imperators seit über zehntausend Jahren! Geschlagen von einigen, wenigen häretischen Außerirdischen ... Aarrgghh!!!
Um die Lage noch zu verschlimmern waren wertvolle Terminatorenrüstungen beschädigt worden. Alle fünf Brüder der ersten Kompanie waren bei diesem...Fehlschlag gefallen. Nur drei der Rüstungen konnten mittels Peilgerät wieder an Bord des im Orbit kreuzenden Raumschiffs geholt werden. Eine der arkanen Körperpanzerungen hatte jetzt nur noch Schrottwert. Die anderen beiden würden wochenlange, peinlichst genaue Wartungsrituale über sich ergehen lassen müssen, bis sie wieder einsatzbereit sein würden.
Davion konnte sich vorstellen, das Ordensmeister Gareth nicht sehr erfreut sein würde. Zu allem Überfluss war nun auch noch Bruder Jorge schwer verletzt. Als sie den verwundeten Scriptor geborgen hatten, hatte dieser darauf bestanden aufrecht stehend zurück teleportiert zu werden.
Nun aber forderten die schweren Verletzungen ihren Tribut, und der Scriptor brach trotz der Hilfe zweier Brüder zusammen. Davion sah wie sich der Apothecari Bruder Malachias, zwei seiner Servitoren und ein Medi-Priester um den gestrauchelten Jorge kümmerten. Davion hoffte, dass der Scriptor durchkam. Nicht zuletzt weil Jorge wie es seine Art war die ganze Verantwortung für den Misserfolg dieser Mission auf sich laden würde.
Davion betete still zum allmächtigen Imperator, das Jorge wieder bei Kräften sein würde, wenn es darum ging sich bei William Gareth zu verantworten...als er dies für unwahrscheinlich hielt lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken...


Daith saß ruhig und konzentriert in der nasskalten Verhörzelle des Chem-Pan-Sey Raumschiffs. Angst hatte er keine. Nicht mehr. Er hatte all seine Gardistenkumpane in dem höllischen Loch, was die Menschen Myridan nannten verloren. Der Sumpf, die Spinnen, der Monsterbaum... alles war ihm im Gedächtnis geblieben. Es hatte sich hinter seiner Stirn eingebrannt, und würde ihn nicht mehr loslassen. Er war so darauf konzentriert gewesen, das er bei seiner Gefangennahme nicht einmal Widerstand geleistet hatte. Sein einziger Trost war, das seine Häscher nun tot waren.
Daith wusste, das dass sein Ende war. Er wusste, das er den Verhörmethoden nicht gewachsen war, das er den Chem-Pan-Sey alles verraten würde, wenn sie ihn folterten. Er würde vom großen Plan Eldrad Ultrahns erzählen, von der Motivation ihrer Kämpfe und von den heiligen Stätten von GoutīGonra. Dies durfte nicht geschehen.
Daith hatte die Kriegeraspekte der Eldar immer verachtet. Und tatsächlich hatten sie ihm das bereitet, wovor er sich immer gefürchtet hatte. Aber vielleicht musste das ja so sein. Vielleicht war es wie bei seinem Handwerk. Vielleicht musste man um etwas wirklich großartiges zu schmieden erst einmal gewöhnliches Holz verbrennen. Vielleicht konnte Daith seine Angst nur durch Furcht besiegen, und so paradox es klingen mochte es funktionierte. Eigentlich hätte er in der Zelle herumkriechen, gegen die Tür treten und um Hilfe oder Gnade schreien sollen. Aber er tat es nicht, und es war nicht nur der psychische Schock über seinen baldigen Tot, der ihn davon abhielt.
Während Daith darüber nachdachte, bemerkte er, dass er unmerklich mit dem runden Edelstein auf seiner Brust gespielt hatte. Diese schwachköpfigen Chem-Pan-Sey hatten ihm seinen Seelenstein gelassen. Er brach ihn aus der Fassung seiner Aradmidrüstung und betrachtete ihn. Im schwachen Licht der Zelle waren seine geschwungenen Konturen kaum auszumachen. Auch seine Farbgebung war nicht zu erkennen. Daith bemerkte nur das beruhigende, warme und sichere Gefühl, das sich in seiner Hand ausbreitete, und seinen Weg durch seinen ganzen Körper nahm.
Daith schob den Seelenstein in eine Spalte an der äußeren Zellenwand. Er hoffte das der Stein seine Seele aufnehmen würde, auch wenn er ihn nicht direkt am Körper trug. Zumindest sollte das, solange er in der unmittelbaren Umgebung blieb so sein.
Vielleicht würden ja dieses Raumschiff nach langer Zeit einmal zerstört werden. Der Seelenstein würde durch die gebrochenen Schottwende in das Vakuum des Alls gesaugt werden. Dort würde er eine viel längere Zeit treiben, bis er vielleicht irgendwann einmal durch irgendwelche Umstände in den Besitz eines Eldar geriet, der ihn dann vielleicht einmal, nach viel, vie, viel längerer Zeit nach Biel-Tan bringen würde, wo er dann im Seelenskelett des Weltenschiffs zur Ruhe gebettet würde. Vielleicht wurde Daiths Seelenstein irgendwann auch einmal in die Hülle eines Phantomdroiden eingesetzt, um seinen Tot zu rächen. Aber bevor Daith dieser Gedanke gefallen konnte schüttelte er ihn ab. In erster Linier war er doch Schmied, oder?...
Schritte auf dem Gang ließen Daith das nahen seiner Kerkermeister annehmen. Zweifellos waren sie gekommen, um ihn zum Verhör zu bringen. Die Zeit drängte also...
Ruhig und gefasst setzte sich Daith wieder auf seine Pritsche und kreuzte die Beine. Dann fuhr er mit seinen Übungen fort und versuchte erneut angestrengt, seine eigene Zunge zu verschlucken...


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