Lebende Schatten

von Jörg Nemitz

Schwere Kettenglieder pflügten durch das hohe Gras des neu entdeckten Planeten. Die Einsatzkräfte der imperialen Space Marines vom Orden der Iron Skulls kümmerten sich nicht um die Umwelt. Ihre Aufmerksamkeit gehörte den potentiellen Gefahren, die diese Welt bieten konnte. Im Innern eines von zwei Land Raidern, das von den schweren Terminatorrüstungen der ersten Kompanie überfüllt wirkte, öffnete Captain Mwangawa einen Kommkanal. "Was melden die Sensoren, Bruder Bwutane?" fragte er. "Mein Captain, ich vermag nichts durch die Sensoren zu erkennen, das Schaden zufügen könnte. Ich habe bisher nur ein Magazin voller Boltgeschosse an Raubtieren gezählt seit wir gelandet sind. Sonst sind wir die einzigen Lebewesen." Mwangawa nickte erhaben über die Meldung des Fahrers. "Meldet den Schiffen, dass sie die Kolonisten landen lassen können. Wir werden weiter patroulieren."
Langsam wurde es dunkel. "Captain, erbitte Erlaubnis die Scheinwerfer einschalten zu können," erbat Bruder Bwutane. Mwangawa dachte kurz darüber nach. Die Vorschriften verbaten normalerweise Scheinwerfer bei Patroullienmissionen, doch diesmal war keine Gefahr zu fürchten. "Im Namen des Imperators, schaltet die Scheinwerfer ein. Bringt das Licht des Imperiums auf den Planeten."
Kaum waren die Scheinwerfer eingeschaltet, da hörte Mwangawa zwei leise Geräusche. Auf einem Monitor erschienen Zeilen in imperialem Gotisch. 'Captain Mwangawa ich melde eine Beschädigung meiner Systeme: Außenscheinwerfer wurden mutwillig zerstört. Die Verursachung der Beschädigung ist nicht auszumachen' meldete der Maschinengeist des Land Raiders. "Bruder Twangawa, begebt euch in den Schützenstand. Jemand hat unsere Scheinwerfer zerschossen. Versucht ihn auszumachen mit euren Helmsensoren. An alle: Waffen durchladen und entsichern. Vermutlich ist der Planet schon bewohnt."
Mwangawa hob die Hand und schloss den Helm der Terminatorrüstung. Währenddessen trat ein Space Marine auf einen Aufzug und fuhr hoch. Durch eine Luke, an der ein Sturmbolter angebracht wurde, schob er seinen Oberkörper. "Gebt Meldung, Twangawa," befahl der Captain. Doch der Marine antwortete nicht. Verärgert über die Befehlsverweigerung drückte der Captain einen Knopf und fuhr den Fahrstuhl wieder in das Innere des Panzers. Der Marine auf der Plattform sank in sich zusammen. Ein Loch im Helm zeigte an warum er nicht geantwortet hatte. Ein lautes Krachen und Zittern durchfuhr den schweren Panzer. "Gebt Meldung!" brüllte Mwangawa in sein Mikrophon. Wieder meldete sich der Maschinengeist: Mein Captain, beide Kettenantriebe wurden durch Sprengsätze beschädigt. Beschädigungen sind nur durch Außenarbeiten zu beheben.
"Achtung, Rüstungen versiegeln. Wir steigen aus und suchen diese Geister," befahl Mwangawa und betätigte den Öffnungsschalter der Rampe. Als erster stürmte der Captain in seiner Terminatorrüstung die kleine Rampe herunter. Er vertraute auf die dicken Panzerplatten und seinen Sturmbolter. "Brüder, gebt ein Sperrfeuer auf alle mögliche Deckungen. Läufer machen gedeckten Sturmlauf." Die Heimatwelt der Marines, Tonguwa, war eine heiße Welt. Die Bewohner waren Überlebenskünstler auf heißen Steppeplaneten und schnelle Läufer, selbst in ihren Rüstungen der Space Marines. Außerdem waren sie sehr gute Bogenschützen, was sich in der Bewaffnung zeigte: Laserkanonen und Raketenwerfer waren die einzigen Spezialwaffen der Einheiten, doch die waren in exzellenten Schützen.
Stolz stand Mwangawa in der Mitte seiner Krieger, die mit ihren Sturmboltern und Raketenwerfern die spärlichen Deckungsmöglichkeiten unter Beschuss nahmen. Ein Piepen in seinem Ohr lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Funkgerät. "Wer spricht?" verlangte Mwangawa. "Eure Geister," antwortete eine fremde Stimme. "Ah, wollt ihr euch ergeben?" Brüllendes Gelächter antwortete ihm. "Nein! Wir verlangen von euch nur den vollständigen Abzug aus diesem Sonnensystem." "Wir haben diesen Planeten offiziell für den Imperator in Besitz genommen. Wir werden nicht weichen," antwortete Mwangawa verärgert.
"Dieser Planet ist seit langer Zeit geschütztes Territorium, ein neutraler Planet wenn ihr das verstehen könnt. Wenn ihr euch hier nun niederlasst, werdet ihr sterben, und das brauchen nicht einmal wir machen," plauderte die Stimme. "Dann kommt raus und kämpft. Wir werden um den Planeten kämpfen und siegen," sprach der Marine. Die Stimme seufzte. "Ihr versteht nicht. Wir haben euch bisher verschont, Mwangawa, weil wir wussten dass ihr hier ankommen würdet. Wenn ihr hier verbleibt, werdet ihr sterben und schlimmeres." "Wer seid ihr?" Eine kurze Pause entstand. "Stellt euer Feuer ein, verschwendet nicht so sinnlos Munition. Ich werde mich euch nähern," sagte dann die Stimme. Mwangawa schaltete auf den taktischen Kanal um. "Achtung Brüder, zieht euch alle in die Deckung der Panzer zurück und stellt das Feuer ein. Beobachtet die Umgebung weiter nach Gefahren. Jemand wir gleich auf uns zu kommen, der will mit mir sprechen. Lasst ihn durch."
"Das ist nicht nötig," kam die Stimme durch das Funkgerät. Sie hatte einen stark belustigten Klang. Mwangawa drehte sich im Kreis um zu sehen, woher die Stimme kam. In seinem Rücken stand eine dunkle Gestalt in einem weiten Mantel und Kapuze. "Lasst uns etwas gehen," meinte die Gestalt immer noch über Funk und drehte sich von den anderen Marines weg. Mwangawa war völlig überrascht. Doch dann ging er neben der Gestalt her. "Ich denke, wir können einander unsere Gesichter zeigen," schlug die Stimme vor und griff nach der Kapuze. Mwangawa bemerkte noch, wie der Stoff die Umgebung farblich wiedergab, sich mit der Umwelt zu tarnen versuchte. Dann griff er nach dem Helm und öffnete die Versiegelung. Der Helm schwang zurück auf den Rücken der Terminatorrüstung. Mit eigenen Augen beobachtete Mwangawa wie behandschuhte Hände langes schwarzes Haar ausschüttelten bevor sich der Kopf zu ihm drehte und Mandelaugen mit hohen Augenbrauen ihn ansahen. Spitze Ohren sahen aus dem Haar hervor. "Eldar," spie der Captain aus. "Ihr solltet froh sein, denn ich und meine Gefährten bewahren euch vor einem schrecklichen Schicksal," meinte der Außerirdische in Plauderton. "Ihr wolltet reden! Also sagt was ihr zu sagen habt und dann lasst die Kolonisten landen," fuhr Mwangawa auf. Die Augenbrauen des Eldars zogen sich verärgert zusammen. "Ich sagte bereits, die Kolonisten können nicht landen. Dieser Planet ist neutrales Gebiet zwischen uns und ... den anderen," sprach er verärgert. "Wir verlangen von euch, dass ihr ohne Verzögerung das Sonnensystem verlasst, unverzüglich. In euren Sternenkarten werdet ihr die Sonne als unbewohnbar betiteln," befahl der Eldar. "Was, wenn wir nicht abziehen?" fragte der Captain, kochend vor Wut über den Außerirdischen. Am liebsten hätte er den Sturmbolter genommen und abgedrückt. Doch er hielt sich zurück. Andere Eldar mussten noch in der Nähe sein, im Hinterhalt liegend.
Der Eldar zuckte mit den Schultern. "Unsere Propheten habe ein bedeutsames Element in naher Zukunft entdeckt: euch. Ihr seid noch zur falschen Zeit am falschen Ort. Ihr müsst weiter. Hier könnt ihr nicht bleiben, und das werdet ihr auf keinen Fall. Da wir euch nicht töten können habe ich gedacht, ihr seid mit Worten zu überzeugen." "Sagt mir einen Grund, warum ich auf euch hören sollte," forderte Mwangawa scharf. "Ist euch mein Wort nicht Grund genug?" fragte der Eldar mit einem leichten Grinsen. "Dann vielleicht das hier?" Der Fremde zog eine mehrfach gezackte Klinge unter seinem Mantel hervor. "Wenn die Besitzer solcher Messer kommen...." Der Eldar ließ den Satz unvollendet.
Mwangawa lachte kurz auf. "Und wenn! Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, der Imperator beschützt mich. Dieser Abschaum soll ruhig kommen." "Ich fürchte mich ebenfalls nicht vor dem Tod, ich fürchte mich nur vor dem, was man nach dem Tod mit mir anstellen könnte," antwortete der Eldar und blieb stehen. "Dann sind wir uns einig, ihr verlasst den Planeten?" Der Captain sah ihn ungläubig an. "Natürlich nicht. Wir müssen hier landen und die Kolonisten die nächsten Planetenjahre beschützen." "Dann müssen wir euch also von hier wegbringen," sagte der Eldar und zog sich die Kapuze über den Kopf.
Ein Krachen ertönte. Mwangawa drehte sich um und glaubte eine Energiewand auf sich zukommen sehen. Er fuhr wieder herum zu dem Eldar, doch der war bereits in der Umgebung verschwunden. Dann traf ihn die fremde Energie und er verlor das Bewusstsein.
Jeder einzelne Marine fiel bewusstlos zu Boden. Die Energie betäubte jedes Lebewesen in ihrer Bahn. Doch kaum war die Welle verschwunden, als überall um die Marines herum die Schatten lebendig wurden. Die Ranger standen auf und kamen langsam auf die Menschen zu. "Ich habe ihnen gesagt sie sollten gehen," meinte der Eldar zu den anderen Rangern. "Jetzt müssen wir sie zurück auf ihr Raumschiff schaffen und auf den richtigen Kurs setzten."

Mwangawa wachte mit einem merkwürdigen Gefühl in seiner Wirbelsäule auf. Er befand sich im Hangar der Eskortfregatte "Brennende Sonne", die ihn und seine Brüder hierher brachte. Er stand langsam mit seiner Terminatorrüstung auf. "Dies ist nur eine Aufzeichnung," durchbrach die Stimme des Eldars die Stille. Mwangawa sah auf dem Kommschirm der Funkanlage sein Gesicht. "Wir haben euch auf euer Schiff zurückgebracht. Der Kommandant der Kolonistenschiffe war vernünftiger und hat unseren Befehlen nicht widersprochen." Mwangawa überlegte sich, wie weit er seine Kompetenzen an diesem Mann ausprobieren sollte, verwarf aber dann den Gedanken. "Eure Zeit zum Kämpfen wird kommen, doch erst später. Im Moment ist nur wichtig, dass ihr nicht mehr wieder kommt. Ihr seid hier nicht erwünscht." Mit diesen Worten schaltete sich die Aufnahme ab.
"Was jetzt, Captain?" fragte sein Adjutant. Mwangawa überlegte. "Wir fliegen weiter. Die Eldar waren dieses Mal in der Lage uns vom Planeten zu bringen, sie werden es sicherlich noch einmal machen können. Warum ein zweites Mal gegen einen Felsen zu laufen? Unsere Aufgabe ist es die Kolonisten zu beschützen. Der Astropath soll Meldung nach Terra schicken. Sollen die dort überlegen, was zu tun ist," entschied der Captain.

Der Helm eines Runenpropheten drehte sich zu seinem Gegenüber zu. "Sind wir uns einig?" fragte Eldrad Ulthran. Langsam führte der dunkle Besucher ein Glas an den Helm und trank. "Meinetwegen. Wir lassen diese Chem-Pan-Sey in Ruhe. Wenn eure Voraussagen wahr sind, dann gibt es in einigen Jahren fettere Beute. Ich würde in Commorragh sicherlich mehr Aufmerksamkeit bekommen, wenn ich Beute dem großen Verschlinger vorzeige, anstelle primitiver Rüstungen."
Asdrubael Vect fing an zu lachen.



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