Achte auf deinen Rücken

von Jörg Nemitz

Lieutenant Barker drückte einen Ast aus dem Weg. Ihm als Catachan-geborener gefiel es, mit grüner Schminke durch Dschungel zu pirschen. Er fühlte sich dann wie zu Hause. Zwar war der Dschungel auf Epitaph IV nicht annähernd so tödlich, aber das machte nichts. Barker hatte Befehle bekommen für diese Dschungelpatrouille, und er hatte sie mit Freuden angenommen. Doch als er vor einigen Tagen über Funk in Kenntnis gesetzt wurde, dass Orks gelandet waren und ganz in seiner Nähe ein Lager aufgeschlagen haben, da wurde seine Stimmung doch getrübt. Schließlich hatte er sich für die nächsten Monate eine nette Garnisonszeit vorgestellt. Doch er würde das Beste aus der Situation machen und hatte seine Leute in Richtung der ungefähren Position der Orks gebracht. Noch mochten sie einen Tagesmarsch von ihrem Ziel entfernt sein, aber der Lieutenant hatte nicht so lange überlebt, in dem er auf Schätzungen aus dem HQ vertraute. Vorsichtig schlichen seine Männer vorwärts.
Plötzlich hob Spenser den Arm. Sofort blieben alle Soldaten stehen. Als nichts passierte, schlich Barker zu seinem Scout. "Was ist?" fragte er leise. "Spuren. Kaum eine Stunde alt," antwortete Grissholm genauso leise. Barker erkannte dann ebenfalls kaum sichtbare Spuren im Unterholz. "Also gut. Dort drüben ist eine gute Position für ein Nachtlager. Wir schwenken auf elf Uhr und schlagen das Lager auf," befahl Barker und gab seine Pläne mit Handzeichen weiter. Das Nachtlager schlugen die Catachaner zwischen einigen Mammutbäumen mit riesigen Wurzeln auf. Sofort versteckten sich die Wachen in einigen Bäumen. Barker holte seine Beute von heute Morgen, einen kleinen Affen, aus seinem Beutel und bereitete seine Mahlzeit auf dem Feldkocher vor. Dann kam Needles auf ihn zu gehastet. "Sir! Wir sind nicht die ersten hier," flüsterte er und hielt etwas hoch, das Barker auf dem ersten Blick als Stein gesehen hätte. Doch dann bemerkte er einige Lichter an der Seite und eine eingeritzte Rune. Barker wusste nicht, was es war, aber er wusste, wem es gehörte. "Eldar," zischte er und griff nach seinem Lasergewehr.
"Sehr richtig, Menschling," flüsterte eine Stimme in perfektem imperialem Gotisch an Barkers Ohr. Wie vom Skorpion gestochen sprang der Lieutenant herum und sah in eine Gewehrmündung. Die dazu gehörige Person war kaum auszumachen vor der Baumwurzel, unter der Barker seinen Platz gesucht hatte. Die Umrisse schienen ständig zu verschwimmen. Inzwischen waren die anderen Soldaten aufmerksam geworden und kamen näher, Gewehre im Anschlag. "Waffen runter!" befahl eine Stimme über Barker.
Langsam senkte sich die Gewehrmündung vor Barker, und Barker senkte auch sein Gewehr. Neben dem Lieutenant schwang plötzlich eine Ranke und ein Schemen hangelte sich langsam herab. Am Boden wurde ein Mantel zurück geschlagen und eine rote Rüstung kam zum Vorschein. Dann nahm der Eldar seinen weißen Helm ab. Darunter kam ein helles Gesicht mit grauen Augen und wildem, schwarzen Haar zum Vorschein. Unter dem Haar sahen die Spitzen der Ohren etwas heraus. Der Eldar sprach einige fremde Worte zum Schemen zwischen den Wurzeln. Dieser schlug ebenfalls seinen Mantel zurück und man konnte ihn besser erkennen. "Könnten wir unseren Besitz wiederbekommen?" fragte der neu hinzugekommene Eldar. Etwas verwirrt blickte Barker ihn an, dann dämmerte es ihm und er übergab das Artefakt an den Eldar. "Danke. Dürfte ich euch in unserem bescheidenen Nachtlager willkommen heißen?" fragte der Eldar mit einem Grinsen. "Euer Nachtlager?" fragte Boomer herausfordernd. "Ich sehe nur uns." Das Grinsen des Eldar wurde breiter als er weitere Worte in seiner Sprache sagte. Weitere Eldar standen auf, manche hatten sich keinen Meter von den Lagerstätten der Menschen versteckt. Andere wurden auf den Wurzeln sichtbar, alle hielten Gewehre bei sich, zwar nicht auf die Menschen gerichtet, aber eine deutliche Sprache sprechend. Alles in allem lag das zahlenmäßige Verhältnis schon zu Gunsten der Menschen, aber die Eldar waren zu verstreut als dass die Menschen sich behaupten hätten können. "Was wollt ihr?" fragte Barker nach eine Weile. Der Eldar hob eine Augenbraue. Dann machte er eine Geste mit der freien Hand. "Wir jagen Orks. Ich denke, das ist auch euer Bestreben." Ruhig setzte sich der Eldar mit dem Rücken zu eine Wurzel und stellte seinen Helm neben sich. Alle Menschen beruhigten sich etwas. Sie widmeten sich wieder ihren eigenen Sachen, hatten aber alle ein Auge auf die Fremden. Die Eldar sammelten sich um ihren Anführer und bauten selbst ein Lager auf.
"Unsere Befehle lauten, die Orks aufzuspüren und deren Stärke zu melden," meinte Barker, nachdem er etwas vom Fleisch abgebissen hatte. "In der Hinsicht können wir euch etwas helfen. Die Orks sind etwa einen eurer Kilometer in dieser Richtung und ihre Stärke ist enorm," meinte eine weibliche Eldar und deutete in eine Richtung. Der Anführer sah sie seltsam an, sagte aber nichts. "Warum jagt ihr die Orks?" fragt Barker nach eine Zeit lang. Die Eldar sahen sich an, dann meinte der Anführer: "Sie haben etwas, das uns gehört. Die Orks wissen das noch nicht, aber bald haben wir es wieder in unseren Händen." "Können wir euch begleiten? Zusammen könne wir sicherlich mehr erreichen," schlug Barker vor. Die Eldar waren Ranger, das war ihm inzwischen klar. Sie waren Wanderer zwischen den Welten, Abenteurer mit soviel Besitz wie sie tragen konnten, aber den Menschen waren sie trotzdem technisch weit überlegen. "Meinetwegen," sagte der Anführer nach kurzem Nachdenken. "Gut. Ich schlage vor, wir marschieren morgen kurz vor Sonnenaufgang los." Der Eldar nickte. Barker streckte sich lang hin und schloss die Augen. Er würde den Eldar nicht zu weit trauen, aber die Wachen würden schon ein Auge auf ihre Verbündeten haben. Seine Wache war erst in einigen Stunden. Der Lieutenant konnte sich noch etwas hinlegen.

Der Mond stand voll über dem Wald. Sein Licht drang bis zu der Öffnung im Mammutbaum, die in luftiger Höhe eine Schale voller Wasser bildete. In dem Wasser rekelte sich eine nackte Gestalt. "Du warst unvorsichtig," tadelte Merädbê die Frau von einem höher gelegenen Ast. "Ich habe dir bereits gesagt, dass es mir aus der Tasche gefallen ist, als die Menschlinge in unser Lager geschlichen kamen. Ich habe erst gemerkt, dass es fehlt als die Menschen es gefunden haben," flüsterte Selissé und lächelte, während sie sich mit einem Schwamm den Oberkörper wusch. Merädbê schwieg. Dann fragte er: "Magst du den Menschling?" "Er ist sicher unterhaltsam, unter anderen Umständen fände ich sicher Interesse an ihm, aber hier?" antwortete sie ohne im Waschen inne zu halten. "Da fällt mir ein, dass du sehr schnell zugestimmt hast, als er seine Hilfe anbot," stichelte Selissé. Merädbê machte eine wegwerfende Bewegung. "Die Menschlinge könnten nützlich werden, wenn wir das Artefakt wieder beschaffen wollen. Zusätzliche Waffen, selbst die der Menschlinge, sind da hilfreich." Selissé lächelte wissend. "Ich denke es steckt noch etwas mehr dahinter. Um das Artefakt wieder zu beschaffen, hätten wir die Menschlinge nicht nötig. Wir hätten im Schutz unserer Mäntel einfach ins Lager schleichen und es uns holen können. Du willst die Waffen der Menschen doch nur, weil du den Orkboss hasst." "Das ist irrelevant. Das Artefakt geht vor," meinte Merädbê gereizt. Verärgert schwang er sich vom Ast und kletterte wieder zum Boden. Selissé lächelte weiter und nahm das Gerät, dass die Menschen gefunden hatten und steckte ein Finger in eine Öffnung. Als sie den Finger wieder heraus zog, war der Finger perfekt manikürt.

Am anderen Tag schlichen sich die Soldaten der Menschen und die Ranger der Eldar an das Orklager heran. Lieutenant Barker schaute vorsichtig aus der Deckung eines Farnes in das von Trümmern gezeichnete Lager. "Das ist eindeutig orkig," kommentierte er. "In der Tat," stimmte ihm der Anführer der Ranger zu. Sie konnten nach einiger Zeit Brüllen hören. Ein Ork, der auf einer Sänfte getragen wurde, brüllte seine Untergebene an. Barker merkte, wie sich der Ranger neben ihm versteifte. "Auf der Bannerstange steckt unser Artefakt," flüsterte der Eldar Lieutenant Barker zu, als er dessen Blick sah. Der Lieutenant sah wieder zum Ork, doch konnte er unter dem gesamten Gerümpel, der auf der Bannerstange steckte, kein Eldarartefakt erkennen. "Wie sollen wir vorgehen?" fragte Barker den Eldar. "Ich schlage vor, meine Gefährten und ich schalten die Wachen aus. Dann kommt ihr und gemeinsam nehmen wir die Orks ins Kreuzfeuer," antwortete der Ranger. Doch bevor sie irgend etwas unternehmen konnten, krachten Schüsse im Lager der Orks. Die Grünhäutigen liefen aufgeregt umher und die Wachen liefen so schnell sie konnten zu den Schüssen. Der Eldar hob ein Gerät vor die Augen und fragte dann: "Wusstet ihr, dass die Orks in mehreren Fraktionen auf diesen Planeten niedergegangen sind?" "Wie meint ihr das?" "Ein anderer Orkboss greift gerade unser Zielobjekt an. Sie prügeln gegenseitig aufeinander ein."
"Können wir das nicht für uns ausnutzen?" Der Ranger überlegt. "Euer Auftrag ist doch hiermit erledigt. Ihr habt die Orks gefunden. Ich denke wir kommen jetzt ohne eure Hilfe aus," antwortete er dann. "Ich bin Catachaner! Ich habe nichts gegen etwas Ruhe, aber ich laufe auch nicht vor einem ordentlichen Kampf davon," beschwerte Barker sich. Der Eldar funkelte den Menschen unter seinem Helm an. "Dies ist nicht euer Kampf, noch nicht. Wir werden unser Artefakt holen und von diesem Planeten verschwinden. Dann könnt ihr euch von mir aus eure Köpfe an den Orks einschlagen." Mit diesen Worten wendete der Eldar sich ab und ging zu seinen Leuten. "Wir werden in das Lager schleichen und unseren Besitz wieder holen. Skrathiêk, deine Gruppe wird uns Deckung geben, während die anderen mit mir in das Lager gehen. Vermeidet solange wir das Artefakt nicht haben jeden Art von Kontakt zu den Orks." Mit diesen Worten winkte Merädbê seine Gefährten ihm zu folgen.
Im Schutze ihrer Chameolinmäntel konnten die Ranger ohne Probleme in das Orklager eindringen. Vorsichtig schlichen die sechs vorwärts, sich im Schutze der anderen fünf Ranger wissend. Das Lager war in großer Aufregung. Orks griffen Orks an, mit klobigen Waffen oder gar mit bloßen Fäusten. Die Sänfte des Bosses war zu Beginn der Kämpfe achtlos hingeworfen worden. Merädbê huschte hin und entnahm der Bannerstange das Artefakt. Es war ein kreisrundes Objekt mit einer Elle Durchmesser und von Edelsteinen verziert. Der Ranger steckte das Artefakt unter seinen Mantel in einen Beutel und wollte gerade wieder in Deckung huschen, als ein Orkboss in Megarüstung durch einen Berg von Trümmern brach. Der Ork brüllte, doch als er einen Schemen über den Platz laufen sah, erschien ein verwirrtes Gesicht hinter dem massigen Kinnschutz. Die Intelligenz der Orks war nicht sehr groß und der Boss wusste nichts mit dem anzufangen, was er da sah. Doch das Projektil, das von seiner Rüstung abprallte, brachte ihn wieder in zerstörerische Wut zurück und er hob den rechten Arm, an dem etwas hing, das wie mehrere große Kanonen, die einfach zusammengeschweißt wurden, aussah. Unter den zwei Kanonenrohren schaute eine orkige Rakete mit einem aufgemalten Maul hervor. Der Boss schoss auf den Schemen, aber die Rüstung war zu schwerfällig und der Schatten zu schnell. Doch das machte das gesamte Orklager aufmerksam. Mehrere Orks kamen und bemerkten die Ranger. Schnell fanden sich die Ranger in hoffnungsloser Unterzahl wieder und die treffsicheren Schüsse aus den Jagdgewehren ihrer Gefährten im Wald konnten ihnen kaum helfen. Bald war die Luft erfüllt mit Projektilen. Als die Ranger beinahe den Waldrand erreicht hatten, kam Laserfeuer heraus. Merädbê bemerkte in einer Mischung aus Verachtung und Erleichterung, dass die Menschen sich nicht zurückgezogen hatten. Mit einer Hand hielt Merädbê seine Shurikenpistole nach hinten und feuerte in die Orkmengen. Dann hatte er als erster Ranger den Wald erreicht. "Ich hatte euch geraten zu verschwinden," fauchte Merädbê Barker an. "Seid froh, dass wir hier geblieben sind und euch den Arsch retten können," antwortete der Mensch und feuert seinen Bolter in die Orks. Merädbê hob sein Jagdgewehr und feuerte auf den Boss in Megarüstung. Der Eldar traf die Rüstung an der Schulter. Ein Brüllen des Orks belohnte die spitzen Ohren. Doch dann hob der Boss seine Waffe und feuerte die Orkrakete ab. Fasziniert beobachtete Merädbê den Feuerschweif bis ins Ziel. Selissé fiel wie ein zerbrochener Zweig zu Boden, von der Rakete in den Rücken getroffen. Wut kam in Merädbê hoch. Wie konnte der Orks es wagen eine Gefährtin zu töten? Mit tödlicher Präzision hob der Ranger sein Gewehr und zielte genau. Dann zog er den Abzug durch und der Boss wurde zwischen den Augen getroffen. Einige Orks in der Nähe des Bosses ließen ihre Waffen fallen und drehten um, um im Lager zu verschwinden.
Links von Merädbê sah er den Feuerschein des schweren Flammenwerfers unter den Orks wüten. Immer noch blutdürstig stürmte der Ranger vor und zog ein Messer unter seinem Mantel hervor. Nach allen Seiten schlagend bahnte Merädbê sich seinen Weg durch die Orks bis zu seiner gefallenen Gefährtin. Dort warf er sich hin und hob die Leiche auf. Als er aufstand verklang der Gefechtslärm. Die meisten überlebenden Orks waren geflohen, als sie von unsichtbaren Schützen getroffen wurden und dann noch gegen Flammenwerfern antreten sollten. Mit rotem Blut bespritzt, in Orkleichen stehend, ragte Merädbê über dem Schlachtfeld. Langsam trug er Selissé zu seinen Gefährten und den Menschen. Als er bei Lieutenant Barker ankam, blieb er stehen und sah den Menschen an. "Wir haben was wir wollten. Lasst uns gehen," sagte er leise.

Später am Abend lagen die Opfer der Schlacht im Kreis auf Scheiterhaufen. Merädbê hielt die Seelensteine der gefallenen Ranger in seiner Rechten. Mit der Linken strich er über das Gesicht von Selissé, die in einem fließenden Gewand vor ihm lag. "Es tut mir leid um den Verlust eurer Gefährten," flüsterte Barker hinter dem Ranger. Merädbê sah den Menschen an. Der Lieutenant glaubte in seinem Blick Unverständnis zu erkennen. "Für uns Eldar ist der körperliche Tod nicht wirklich schrecklich. Die Seelensteine bewahren unsere Seelen vor dem wirklichen Grauen," erklärte der Eldar und hob die Steine. "Davon verstehe ich nicht viel. Ich weiß nur, dass man auf jeden Fall sterben wird und nur der Grund, weswegen man stirbt, wichtig ist," antwortete Barker nach langem Überlegen und zuckte mit den Schultern. "Wollt ihr eure Leichen wirklich verbrennen?" Merädbê nickte entschlossen. "Ich möchte nicht, dass eure Verantwortlichen unsere gefallenen Gefährten sezieren können. Das wäre eine Entweihung des Körpers." Barker nickte verstehend. Dann gab er seinem Waffenspezialisten ein Zeichen. An der Flamme des Flammenwerfers entzündete er mehrere Fackeln. Die Fackeln wurden von den Rangern in die vier Scheiterhaufen gesteckt. Das aufgeschichtete Holz entzündete sich sofort. Fasziniert beobachtete Barker, wie die Leichen im Feuer verzehrt wurden. Bald war die Lichtung taghell erleuchtet.
Plötzlich drehte Merädbê sich zu Lieutenant Barker um. "Wir werden den Planeten verlassen. Geh in Schönheit, Lieutenant Barker." Mit einem Seitenblick auf seine brennende Gefährtin fügte er noch hinzu: "Und pass' auf deinen Rücken auf... Du hast gesehen was passieren kann."
Wie ein Mann verschwanden die Ranger im Wald. Barker versuchte ihnen mit seinen Blicken zu folgen, konnte sie aber nirgends entdecken. Er blickte in seine Hand. Er hatte das Artefakt, durch das sie die Eldar getroffen haben, von ihnen bekommen. Es war bereits eine Art Talisman seines Trupps geworden, denn sie wollten alle nicht, dass man es ihnen wegnehmen würde. Dann sah Barker wieder auf.
"Das habe ich wahrlich gesehen!" flüsterte er.



Dieser Text unterliegt dem Urheberrecht des Autors und darf nicht ohne dessen Erlaubnis an anderer Stelle veröffentlicht oder anderweitig verwendet werden!
DAS SPHÄRENTOR
www.sphaerentor.com
www.s40k.de