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SEBASTIAN LINSE - "DER DUFT DES VATERS"

Neugierig streckte er seine Barthaare empor. Dieser opponierende Duft ließ Wut in ihm aufsteigen. Es war ein harter Kampf zur alleinigen Dominanz gewesen und es war ihm nur durch die Hilfe des Vaters vergönnt gewesen, den Sieg davonzutragen. Nun war er keinesfalls bereit, seine Herrschaft an einen weiteren Konkurrenten abzutreten. An grauen Felsvorsprüngen und grün im Dunklen glimmenden Rinnsalen vorbei, pirschte er sich in die Richtung dessen, was er für seinen Rivalen hielt. Plötzlich erfüllte ein mechanisches Schnappen seinen Intestinalberreich mit einem alles zerquetschendem Druck. Seine Rippen barsten unter einem knackendem Schmerz, der lautlose Schnitter brachte ihm die plötzlich ersehnte Erlösung.

Ein Lautsprecher spie unerbittlich den mechanisches Brüllen aus:“Gelobt sei ER der ER über uns wachet! Analysiere das Objekt! Lasse keinen Zweifel bestehen! Töte was du im Blute des Objekts zu finden vermagst! Ewiges wohl IHM in seinem endlosen Martyrium!“

Die Klappe enthüllte quietschend den Körper einer Kreatur der Finsternis, während das Echo des Lautsprechers langsam ausklang. Er entnahm das Objekt und spekulierte das es vielleicht den Tiefen einer Kanalisation entstammen mochte. Doch solche Gedanken stellte er sich für gewöhnlich kaum. Das Objekt war pelzig und sein Gewebe war zu großen Teilen von nekrotischem Schwarz durchdrungen. Er schnitt eine Eiterblase auf. Es entströmte ihr ein schwerer, süßlicher Duft. Der Duft hob sich erfreulich vom Geruchsspektrum, der sonst allgegenwärtigen Desinfektionsmittel ab. Nachdem er den Eiter auf einem Analyseträger verteilt hatte, nahm er auf seinem Hocker platz. Das Analysegerät vollzog seinen Dienst mit einem leisen Surren.

Auf dem Monitor vor ihm erschien die Auswertung der Analyse. Ein äußerst widerstandsfähiger Erreger erfüllte das Objekt mit einer Note von olfaktorischem Genuss. Wiederstrebend unternahm er unzählige Versuche, dem Objekt von seinen aromatischen Gästen zu ersparen. Erfolglosigkeit trieb ihn zum Anlegen einer weiteren Probe und nach langen, von Erfolglosigkeit gekrönten, Versuchen in schließlich Morpheus Arme. Dort war er plötzlich nicht mehr allein. Aus der ihn nun umgebenden Dunkelheit, legte jemand eine Hand auf seine Schulter. Er genoss diese Liebkosung. Solchen Genuss hatte er an diesem Ort stehts entbehrt. Nach dem Erwachen stellte er fest, dass er sich schlaftrunken an seinem parasitären Skalpell geschnitten haben musste.

Eine nässende Wunde bedeckte seinen Finger. Schnell verbarg er diesen unter einem Handschuh. Duftend versüßte das Objekt seinen, nun erfolgreichen, Versuch eine erneute Probe anzulegen. Deren Analyse verschlang seine Arbeitskraft einen weiteren Tag lang. Vor Erschöpfung entlud sein Magen sich auf der Oberfläche des Analysegerätes. Seine Welt geriet in wilde Drehung. In einem stumpfen Aufschlag schlug er auf den reinen Boden. Der Vater erwartete ihn bereits in der Dunkelheit, seiner folgenden Bewusstlosigkeit. Er bot ihm an, sein Leben nie wieder in Einsamkeit verbringen zu müssen. Dafür erwartete der Vater lediglich aufrichtige Liebe. Dieses Angebot war zu verlockend, um es abzulehnen. Er ergab sich der Umarmung des Vaters. Voll Verzückung nahm er sein Skalpell und schnitt sich 3 kreisrunde Löcher in den Bauch. Eine solche Widmung würde dem Vater gefallen. Das lebendige Bouquet das seine frischen Wunden verströmten, versprach ihm dem lange ersehnte Weg aus der Einsamkeit. An diesem Ort würde seine Liebe unverstanden bleiben. Er beschloss in die Kanalisation zu entfleuchen. Dort würde er das Geschenk der Liebe des Vaters verbreiten. Plötzlich unterbrach das gnadenlose Brüllen des Lautsprechers seine Visionen:“Brenne Ketzer!“ Es erschienen Wächter um ihn der Liebe des Vater durch ihre kreischenden Waffen zu entreißen. Der beißende Gestank seines brennenden Fleisches erfüllte den Raum. Glück erfüllte ihn, als er zu dem Gewissen kam, dem Vater bald gegenüber zutreten! Er starb in Liebe zum Vater.


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